Ein deutscher Text auf dunkelblauem Hintergrund mit hellgrauen geometrischen Akzenten. Das Logo zeigt oben links stilisierte Buchstaben „M“ und „N“. Der von einem Rechtsanwalt verfasste Text befasst sich mit neuen Tatsachen in einem Kündigungsschutzprozess aufgrund einer Verdachtskündigung und enthält einen rechtlichen Verweis auf BAG, Urt. v. 23.5.2013 – 2 AZR
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Nachschieben von Kündigungsgründen ohne vorherige Anhörung

Neue Tatsachen können in den Kündigungsschutzprozess auch nach Ausspruch einer Verdachtskündigung eingeführt werden. Dabei muss der betroffene Arbeitnehmer nicht einmal angehört werden.

Sachverhalt:

Der Kläger war bei der Beklagten als Bezirksleiter im Außendienst tätig. Die Beklagte kündigte ihm fristlos, hilfsweise ordentlich, nachdem sie den Verdacht geschöpft hatte, er könne an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen sein. Im Laufe des Rechtsstreits erfuhr die Beklagte von weiteren Unregelmäßigkeiten: Es stellte sich heraus, dass die Beklagte für Baumaßnahmen auf dem Privatgrundstück des Klägers bezahlt hatte.

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Die Kündigung war wirksam, da die Beklagten den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Klägers hatten.

Begründung:

Das BAG hat entschieden, dass die Beklagte die neuen Tatsachen, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung des Klägers begründeten, auch ohne vorherige Anhörung des Klägers in den Rechtsstreit einführen konnte. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung diene dem Zweck, den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen zu bewahren und der Gefahr zu begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen werde. Ist die Kündigung aber bereits ausgesprochen, könne die Anhörung des Arbeitnehmers die Entscheidung des Arbeitgebers nicht mehr beeinflussen.

Das BAG hat außerdem entschieden, dass § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegenstehe. Diese Vorschrift bestimme, dass die Kündigung unwirksam sei, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes ausgesprochen werde. Diese Frist gelte aber nur für die Ausübung des Kündigungsrechts als solches. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließe § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus.

Praxishinweis:

Das Urteil des BAG ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen wichtig. Arbeitgeber sollten beachten, dass sie auch nach Ausspruch einer Verdachtskündigung neue Tatsachen in den Rechtsstreit einführen können. Arbeitnehmer sollten sich darauf einstellen, dass ihnen auch nach Zugang der Kündigung neue Vorwürfe gemacht werden können.

BAG, Urt. v. 23. 5. 2013 – 2 AZR 102/12  

Volltext: https://openjur.de/u/653709.html

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