Muss ein kranker Arbeitnehmer an Personalgesprächen teilnehmen?

Ein klares Nein! Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass ein Arbeitgeber einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer nicht zu einem Personalgespräch verpflichten kann.

Der Fall:

Ein Krankenpfleger war nach einer Umschulung als Medizinischer Dokumentationsassistent (MDA) tätig. Der Einsatz als MDA war zunächst nur bis Ende 2013 befristet. Während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum November 2013 bis Februar 2014 lud die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer zu zwei Personalgesprächen ein, um die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten zu erörtern. Der Arbeitnehmer sagte beide Gespräche unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit ab.

Die Entscheidung:

Das BAG gab der Klage des Arbeitnehmers auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte statt. Die Abmahnung war rechtswidrig, da der Arbeitnehmer nicht verpflichtet war, an den Personalgesprächen teilzunehmen.

Die Begründung:

• Die Erörterung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers fällt in den Bereich der leistungssichernden Neben- und Verhaltenspflichten. Diese Pflichten werden durch die Arbeitsunfähigkeit nicht suspendiert.
• Der Arbeitgeber muss jedoch die gebotene Rücksicht auf den Arbeitnehmer nehmen und den Genesungsprozess nicht gefährden.
• Ein persönliches Erscheinen des erkrankten Arbeitnehmers im Betrieb ist nur dann vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, wenn die Anwesenheit aus dringenden Gründen erforderlich ist.
• Solche dringenden Gründe lagen im vorliegenden Fall nicht vor.

Praxishinweis:

Das BAG hat die Grenzen des Weisungsrechts des Arbeitgebers für Personalgespräche während der Arbeitsunfähigkeit deutlich eingeschränkt. Arbeitgeber sollten daher zurückhaltend sein, wenn sie einen erkrankten Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch einladen möchten.

Fazit:

Ein kranker Arbeitnehmer kann sich auf sein Recht auf Genesung berufen und muss an Personalgesprächen nicht teilnehmen.

BAG, Urteil vom 2.11.2016 – 10 AZR 596/15 

Volltext: https://openjur.de/u/970568.html