Aufhebungsvertrag unwirksam? Drohung, Kündigung und Strafanzeige
Ein Aufhebungsvertrag kann auch dann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit einer außerordentlichen Kündigung oder einer Strafanzeige droht. Dies gilt jedoch nur, wenn die Drohung widerrechtlich ist.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige nicht widerrechtlich ist, wenn ein verständiger Arbeitgeber diese ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.
Der Fall
Die Klägerin war bei der Beklagten als Teamkoordinatorin Verkauf beschäftigt. Im November 2019 wurde sie von dem Geschäftsführer der Beklagten und dem späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, zu einem Gespräch in das Büro des Geschäftsführers gebeten. Im Gespräch wurde der Klägerin vorgeworfen, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.
Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Klägerin den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah u. a. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor.
Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag mit der Begründung an, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung eine außerordentliche Kündigung und die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das LAG habe zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen habe.
Zwar sei die Beklagte der Klägerin gegenüber mit dem Vorwurf der Untreue vorgegangen, der sich als begründet herausgestellt habe. Auch habe die Beklagte der Klägerin für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags eine außerordentliche Kündigung und die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt.
Allerdings habe ein verständiger Arbeitgeber unter den gegebenen Umständen diese Maßnahmen ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen. Die Klägerin habe damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber aufgrund der Schwere des Vorwurfs gegen sie arbeitsrechtliche Schritte einleitet.
Die Tatsache, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet habe und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste, stelle ebenfalls keine Verletzung des Gebots fairen Verhandelns dar. Arbeitnehmern verbleibe auch in diesem Fall die Wahl, das Angebot abzulehnen.
Praxishinweis
Arbeitgeber dürfen bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitnehmer zwar eine außerordentliche Kündigung oder eine Strafanzeige in Aussicht stellen, wenn dies aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist. Allerdings sollten sie sich davor hüten, den Arbeitnehmer unter Druck zu setzen oder ihm die Möglichkeit zu einer freien Entscheidung zu nehmen.
BAG, Urteil vom 24.2.2022 – 6 AZR 333/21
Volltext: https://openjur.de/u/2396426.html