Außendienstmitarbeiter: An- und Abfahrt zu Kunden ist Arbeitszeit
Bei Außendienstmitarbeitern ist die An- und Abfahrt zum jeweils ersten Kunden sowie die Abfahrt vom letzten Einsatzort als Arbeitszeit zu bewerten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort hat und die Fahrten vom Wohnort aus erfolgen.
Im Ausgangsfall des Urteils schloss ein spanisches Unternehmen seine regionalen Büros und ordnete die Arbeitnehmer organisatorisch einem zentralen Unternehmensstandort in Madrid zu. Fortan mussten die Arbeitnehmer von zu Hause aus zu den Einsatzorten beim Kunden fahren. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und den Einsatzorten konnte beträchtlich variieren und dabei sogar über 100 Kilometer bzw. bis zu drei Stunden betragen.
Das Unternehmen berechnete die tägliche Arbeitszeit als die Spanne zwischen Ankunft beim ersten Kunden und Abfahrt beim letzten Kunden. Die Fahrzeit der An- und Abfahrt zum jeweils ersten und letzten Kunden berechnete der Arbeitgeber jedoch nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit.
Der EuGH hat diese Auffassung nun verworfen. Er führte aus, dass die An- und Abfahrt ein notwendiges Mittel ist, damit der Arbeitgeber seine technischen Leistungen für Kunden an deren Standort überhaupt erbringen kann. Sie gehören daher gerade untrennbar zum Wesen der ausgeübten Tätigkeit und können folglich nicht auf die Orte beschränkt werden, an denen der Arbeitnehmer bei den Kunden physisch tätig wird.
Der Arbeitnehmer steht dem Arbeitgeber während der gesamten Fahrzeit zur Verfügung und unterliegt dabei auch dessen Weisungen. Die Schließung der regionalen Büros führte vorliegend zwar zu einer Verlagerung des Ausgangspunkts der Fahrten, hat am Wesen dieser als wichtiger Bestandteil der Tätigkeit aber nichts geändert.
Praxishinweis
Die Entscheidung des EuGH hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis. Arbeitgeber, die Arbeitnehmer im Außendienst beschäftigen, müssen die An- und Abfahrt zum jeweils ersten Kunden sowie die Abfahrt vom letzten Einsatzort nun als Arbeitszeit vergüten. Dies gilt auch dann, wenn die Fahrten vom Wohnort aus erfolgen.
Die Entscheidung ist auch vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Ziels des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu begrüßen. Werden die Fahrtzeiten nicht als Arbeitszeit berücksichtigt, so ist der Schutz der Arbeitnehmer gefährdet. Denn die Fahrten können zu erheblichen Belastungen für die Arbeitnehmer führen, insbesondere in Bezug auf die Verkehrssicherheit und die Gesundheit.
EuGH, Urteil vom 10.9.2015 – C-266/14